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Dürfen wir guten Gewissens reisen?

Diese Frage kreist immer mal wieder durch meinen Kopf – getriggert durch die vielen Probleme dieser Welt. Dazu kommt die Tatsache, dass immer mehr Menschen beim Überwinden von Landesgrenzen Gewalt, Demütigung und ihr Leben riskieren müssen, während wir allein wegen unserer deutschen Reisepässe fast überall willkommen sind.
Welche (Aus)wirkung hat unsere Reise? Auf jeden Fall stellt sie unser Denken, Handeln und Gewissen immer wieder auf die Probe – und das ist gut so. Da Gewissensfragen persönlich sind, muss jeder Reisende eigene Erfahrungen machen und eigene Antworten finden. Nur wenn wir nach unserem Gewissen handeln, fühlt es sich gut und stimmig an.

Ob wir mit gutem Gefühl unterwegs sein können, hängt für uns beide stark davon ab, wie wir reisen.

Micha und mir geht es beim Reisen ganz allgemein vor allem um Offenheit, Respekt und Interesse gegenüber Land und Leuten. Wir wollen in erster Linie kennenlernen und beobachten, ohne gleich zu urteilen. Uns fasziniert die große Unterschiedlichkeit, die trotz zunehmender Ausbreitung der sog. westlichen Kultur noch immer existiert.

Wohin wir reisen, spielt für unser Gewissen übrigens weniger eine Rolle, auch wenn es Reiseblogger gibt, die abstruse Listen führen mit Ländern, die man ethisch keinesfalls besuchen sollte. Als Antwort darauf empfehlen wir den Beitrag einer anderen Bloggerin, die am Beispiel Iran erklärt, warum das fatal ist.

Wir reisen, weil wir dabei überwiegend Schönes und Spannendes entdecken.

Viele Nachrichten aus der Welt machen uns wütend, traurig oder beschämen uns. Wenn Micha und ich unterwegs sind, erleben wir allerdings überwiegend schöne Dinge. Und fast jeder Tag hält was bereit. Wir lernen dabei die große Vielfalt von Natur und Kultur kennen. Wir sehen, wie Menschen in anderen Ländern ihren Alltag meistern und haben die Zeit, über unser eigenes Leben zuhause mit all seinen Privilegien nachzudenken. Vielleicht klingt es etwas pathetisch, aber solche Erfahrungen haben bereits viel in uns bewirkt.

Reisen ist Weltanschauung.

Mit jeder Landesgrenze, die wir passieren, ändern sich Gesichter, Landschaften, Straßen, Behausungen, Sprache, Kleidung, Essen, Musik und Mobilität. Wir kommen gerne an fremde oder auch ungewöhnliche Orte, um zu sehen, was uns dort erwartet. Besonders reizt uns der Blick in die fremden Wohnzimmer. Glücklicherweise wird uns die Begegnung mit Einheimischen und ihrem Zuhause fast überall leicht gemacht, denn die Hilfsbereitschaft, Neugier und Gastfreundschaft ist oft unglaublich. Unsere „bescheidene“ Reiseausrüstung ist dabei manchmal mehr, als was andere in ihrem Alltag besitzen. Trotzdem öffnen uns die Menschen Tür und Herz, teilen ihr Essen und ihre Zeit mit uns. Diese Momente sind nachhaltig bewegend und wir achten sehr darauf, jedem gute Gäste zu sein.

Vor Augen geführt

Zur Realität gehören natürlich auch unschöne und bittere Eindrücke. An vielen Orten Asiens sind zum Beispiel Armut, schlechte Krankenversorgung, Kinderarbeit, menschliche Konflikte, krasse Luftverschmutzung, Müllprobleme oder Umweltzerstörung nicht zu übersehen. Und viele dieser Zustände haben auch mit dem Leben und Wohlstand, den wir in Deutschland haben, zu tun. Unterwegs treffen wir immer wieder auf Einheimische, die versuchen, mit eigenen Ideen und wenigen Mitteln etwas an den Missständen vor Ort zu verbessern. Sei es ein Lehrer, der seine Dorfschule retten will. Jemand, der eine kleine Werkstatt für blinde Frauen betreibt. Oder ein Tourguide, der mit nachhaltigem Tourismus den Wald seiner Heimat schützen will. Wir nutzen solche Gelegenheiten gerne, um mit etwas Geld oder Materialien zu unterstützen. Außerdem versuchen wir, möglichst viel von unserem Reisebudget bei der einfachen Bevölkerung zu lassen: in Straßenküchen, auf Basaren oder in familiengeführten Unterkünften.

Micha und ich lernen beim Reisen in jedem Fall immer wieder etwas dazu. Und wir haben einen Weg gefunden, mit der Welt – so wie sie ist – umzugehen.

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